Die Geschichte

Das Schloss Wülflingen und seine Entstehung

Die Geschichte
Historische Abbildungen
Detaillierte Bau- und Besitzergeschichte

Wo man heute zur Tafel sitzt, wurde früher über Leben und Tod entschieden. Der einstige Sitz der Gerichtsherrschaft Wülflingen beherbergt sechs museale Räume aus dem 17. und 18. Jahrhundert.

Besitzer- und Baugeschichte

Das Schloss mit seinen auffälligen Treppengiebeln war einst Sitz der Gerichtsherrschaft Wülflingen, die bis 1798 bestand. Es wurde 1644–47 vom Zürcher Patrizier Hans Hartmann Escher von Luchs errichtet, der die ersten zehn Jahre seiner Amtszeit auf der mittelalterlichen Burg Alt-Wülflingen verbrachte. 1682 übernahm Eschers Enkel Hans Hartmann von Meiss die Gerichtsherrschaft und liess 1730 den nördlichen Anbau erstellen. Dessen Schwiegersohn Salomon Hirzel, General in holländischen Diensten, trat 1734 seine Nachfolge an.

Seine drei Söhne, welche 1755 die Herrschaft erbten, lebten über ihre Verhältnisse und sahen sich schliesslich hochverschuldet gezwungen, die Herrschaft zu veräussern. Das Schloss ging samt dazugehöriger Ökonomiegebäude und Umschwung an ihren Schwager Johannes Sulzer, Schultheiss von Winterthur. Die Gerichtsherrschaft hingegen ging an die Stadt Zürich.

1796 ging das Schloss an die Enkelin des Schultheissen Anna-Maria Sulzer über, die mit ihrem Mann David Sulzer (erstmals in der Geschichte des Schlosses) eine Weinschenke betrieb. Seit 1878 führte deren Enkel David-Friedrich Müller die Gaststätte. 1906 kaufte eine Zürcher Firma das Schloss als Investitionsobjekt und begann die Ausstattung zu veräussern.

Dank der spektakulären Rettungsaktion der eigens zu diesem Zweck gegründeten «Genossenschaft Schloss Wülflingen» und der Unterstützung der Gottfried Keller Stiftung konnte das Gebäude und dessen Ausstattung gerettet und der Stadt Winterthur übergeben werden. Die dafür notwendige Geldsumme musste innert 10 Tagen aufgebracht werden.

1907/08 fanden eine umfassende Renovation und die Wiedereröffnung im Beisein von Bundesrat Ruchet statt. In den zwanziger Jahren wurden zwei weitere historische Interieurs aus abgebrochenen Liegenschaften im nördlichen Anbau des Schlosses eingebaut. Seither zählt das unter kantonalem Schutz stehende Schloss insgesamt sechs historische Wohnräume.

Weinkeller

Der Weinkeller umfasst zwei parallele Tonnengewölbe von 4,5 Metern Höhe. Der hintere Teil ist im Originalzustand erhalten und wird heute für Apéros und Weindegustationen genutzt. Im Jahr 1722 wurden hier 110‘000 Liter Wein aufbewahrt. Das raffinierte Belüftungssystem sorgt dafür, dass die Kellertemperatur selbst im Sommer nicht über 10 Grad steigt und damit optimale Bedingungen für die Weinlagerung herrschen. Die Rebhänge der ehemaligen Gerichtsherrschaft werden heute von der Landwirtschaftlichen Schule Strickhof bewirtschaftet.

Gerichtsstube

Das um 1767 von Maler Christoph Kuhn d. J. aus Rieden bei Wallisellen ZH bemalt.

Es handelt sich um Szenen aus dem Leben General Salomon Hirzels und seiner drei Söhne, welche nach dem Tod ihres Vaters über ihre Verhältnisse lebten und schliesslich die Gerichtsherrschaft verkaufen mussten. Salomon Hirzel bezog als Regimentsführer in holländischen Diensten üppige Pensionsgelder, die der Familie einen luxuriösen Lebensstil erlaubten. Der Zürcher Schriftsteller Gottfried Keller schildert in seiner Zürcher Novelle «Der Landvogt von Greifensee» wie die frechen Hirzelsöhne den Pfarrer von Pfungen, nachdem er sie ermahnt hatte, demütigten. Eines der Wandfelder zeigt das «Jüngste und letzte Gericht» mit der Innenansicht der Gerichtsstube, bevor sie unter Johannes Sulzer eine neue Fensterfront erhielt. Der 1776 datierte Kachelofen stammt vom Stäfner Hafner Matthias Neeracher und stand ursprünglich in Grüningen.

Salomon Landolt-Stube

Die Ausmalung mit Fruchtgehängen, Rosetten und Muscheln ist ebenfalls ein Werk von Christoph Kuhn. Der 1768 datierte Ofen stammt vom Zolliker Hafner Heinrich Bleuler und weist blauweisse Fries- und Eckkacheln mit Jagdszenen auf. Eine Kachel trägt die Signatur von Christoph Kuhn. Der Ofen stand ursprünglich in Uetikon ZH. 1916 wurde er ins Schloss Wülflingen versetzt.

Salomon Landolt war ein Enkel von General Salomon Hirzel. Er verweilte oft in Wülflingen, um mit seinem Grossvater zur Jagd zu gehen. 1781 wurde er Landvogt von Greifensee. Neben der Salomon Landolt-Stube befindet sich die Gottfried Keller-Stube und die Lydia Welti-Escher-Stube. Die Tochter des Zürcher Eisenbahnmagnaten Alfred Escher gründete mit ihrem Vermögen, das ihr nach der Scheidung von Bundesratssohn Friedrich Emil Welti verblieben war, die Gottfried-Keller-Stiftung. Diese beteiligte sich später massgeblich an der Rettung des Schloss Wülflingen.

Herrenstube

Im 11. Jahrhundert gehörte die Herrschaft den Grafen von Wülflingen, später den Habsburgern, dann den Herren von Seen, den Herren von Rümlang und im Jahr 1528 ging sie an Hans Jakob Steiner von Pfungen. Bis zum Bau des Schlosses in den Jahren 1644–47 durch den Zürcher Patrizier Hans Hartmann Escher von Luchs, der die Herrschaft 1634 erworben hatte, war die Burg Alt-Wülfingen Wohnsitz des Gerichtsherrn.

Die Herrenstube beherbergt einen prunkvollen Winterthurer Turmofen aus grünglasierten Kacheln. Das Medaillon mit dem Allianzwappen trägt die Initialen von Escher und seiner Anna Maria im Thurn, sowie die Jahreszahl 1647. Das Bildprogramm umfasst neben Szenen aus dem alten und neuen Testament auch allegorische Darstellungen der fünf Sinne (Liebespaar beim Musizieren, Essen usw.) und der Kontinente. Winterthur war vom 16. bis 18. Jahrhundert eine Hochburg der Hafnerkunst. Berühmte Ofenbauer waren die Familien Pfau, Graf und Erhart. Das geschnitzte Nussbaumtäfer (datiert 1645) und die Kassettendecke sind im Stil der Spätrenaissance gehalten. Zum Buffet gehört ein fischförmiges Giessfass (Wasserbehälter) aus Zinn.

Obere Gaststube

Die reich verzierte Türrahmung trägt die Datierung 1645. Ebenfalls aus der Bauzeit stammt die Kassettendecke aus Fichtenholz, wogegen das Täfer 1907 eingebaut wurde. Der 1686 datierte Turmofen stand früher im Wirtshaus «Zum Engel» (Metzgasse 12, Winterthur) und trägt die Initialen von Hans Rudolf Sulzer und Susanne Erhart. Der Ofen stammt aus der Werkstatt von Hans Heinrich Graf III, der ihn selber bemalt hatte. Auf den Eck- und Frieskacheln findet man Illustrationen und Sinnsprüche, die sich auf Tugenden und Laster sowie Gastfreundschaft und Geld beziehen. Einer der Sprüche lautet: «Gelt macht alles richtig». Auf den grünglasierten Kacheln sind dieselben Motive wie beim Ofen in der Herrenstube erkennbar. In der oberen Gaststube befinden sich auch drei Gemälde von Christoph Kuhn («Schlittenfahrt von Wülflingen nach Winterthur», «Jagdausflug» und ein Porträt von «Oberst Salomon Hirzel zu Pferd»). Ebenfalls von Christoph Kuhn bemalt ist der Jagdschrank, der auf dem Vorplatz zwischen der Oberen Gaststube und der Herrenstube steht.

Holzhalb-Stube

Das Holzhalb-Zimmer wurde 1616 für das Haus «Zum Wilden Mann» in Zürich (Untere Zäune 17) geschaffen. 1925/26 wurde das von der Gottfried Keller-Stiftung erworbene Zimmer im Anbau des Schlosses eingebaut. Die Familie Holzhalb war eine angesehene Zürcher Patrizierfamilie, deren Linie erloschen ist.

Vermutlich entstand der in Fayencentechnik bemalte Ofen 1617 in der Werkstatt von Ludwig Pfau II. und wurde von Hans Jegli II. bemalt. Die Winterthurer Familie Pfau produzierte über sechs Generationen hinweg Kachelöfen für eine begüterte Käuferschicht. Die Kacheln bilden Episoden aus der Gründung der Eidgenossenschaft ab. Für die Einlegearbeiten des Täfers wurden vier verschiedene Hölzer verwendet: Nussbaum, Ahorn, Eiche und Sumpfeiche. Beachtenswert sind auch die handgeschmiedeten Türbeschläge.

Rosenzimmer

Das 1763 datierte Interieur wurde 1917 als Eigentum der Gottfried Keller-Stiftung eingebaut. Es stammte aus dem Haus «Zur Rose» (Marktgasse 21, Winterthur), wo in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der Stadtarzt Kaspar Studer wohnte. Die Stuckdecke wurde kopiert und einzelne Täferfelder wurden neu geschaffen. Die in Brunaille-Malerei gehaltene, leicht vorgeblendete Scheinarchitektur erinnert an eine Loggia mit Ausblick auf See-, Hafen und Flusslandschaften. In der Sockelzone sind idyllische Genreszenen dargestellt. Als Maler kommen die Winterthurer Maler Hans Conrad Kuster oder Hans Heinrich Studer, Neffe des damaligen Stadtarztes, in Frage.

Der barocke Turmofen gehörte einst zum Haus Leuner in Zürich (Niederdorfstrasse 24) und ist «Hoffmann pinxit 1757» signiert (Johann Jakob Hoffmann aus Wädenswil). Die bemalten Eck- und Lisenenkacheln tragen ähnliche Motive wie das Täfer.


Texte: Lucia Angela Cavegn, lic. phil. Kunsthistorikerin, Winterthur (www.kunstweise.ch)
Aufnahmen: Thomas Oetjen, Winterthur (www.hochformat.com)


Falls Sie mehr über das Baudenkmal und seine wechselhafte Geschichte wissen möchten, empfehlen wir Ihnen einen historischen Schlossrundgang unter kunsthistorischer Leitung. Die Buchung erfolgt über das Restaurant.

PDF von unserer historischen Umschreibung des Schloss Wülflingen

Historische Abbildungen

Wülflingen, Aquarell von Hans Erhard Escher (1656-1689), dat. 1673



Schloss Wülflingen, Ölgemälde von Christoph Kuhn (1737-1792)
Quelle: StBW, Schloss Wülflingen


Grundriss des Zehenfreyen Schlosses zu Wülflingen, unterzeichnet von Salomon Hirzel, dat. 1774. Quelle: StAZH.


Fotografie, um 1910. Quelle StBW, Neg. 2319



Bau- und Besitzergeschichte

1644 ff Bau des Schlosses durch Hans Hartmann Escher vom Luchs (-1671), Besitzer der Herrschaft Wülflingen-Buch und auf der Burg Alt-Wülflingen wohnhaft seit 1634.
  (Jahreszahl 1645 an zwei Türen des Vorplatzes im Obergeschoss, Jahreszahl 1646 am Buffet in der Gerichtsstube, Jahrzahl 1647 am Turmofen in der Herrenstube (Dendrodaten 1642/43 und 1643/44))
1655 Hans Hartmann Eucher wohnt im neuen Schloss.
1677 Margareta von Meiss (1636-1678), Tochter von Hans Hartmann Escher, veräussert das Wirtshaus, die Metzg und die Ziegelhütte an den Ziegler Heinrich Ringger zu Hauptwil.
1682 Nach dem Tod der Mutter teilen sich die Geschwister das Erbe und Hans Hartmann Meiss (1659-1734) wird alleiniger Besitzer der Herrschaft Wülflingen-Buch, er amtet von 1711-1717 als Landvogt auf der Kyburg.
1716 vermutlich Neugestaltung des Innern mit Stuckdecken.
1730 Errichtung des nördlichen Anbaus (Dendrodatierung).
1734 Brigadier Salomon Hirzel (1672-1755), Schwiegersohn von Hartmann Meiss, übernimmt Schloss und Herrschaft durch Auskauf der übrigen Erben.
1754 Bau der Dachlukarne and Einzug der Zwischenwände im Dachgeschoss, sowie Entfernung von liegenden Stuhlsäulen (Dendrodatierung).
1755 Nach dem Tod des Vaters erben die drei Söhne die Herrschaft Wülflingen. Nach Streitigkeiten übernimmt der mittlere Sohn, Oberst Salomon Hirzel (1719-1791), die Herrschaft und kauft seine Brüder aus.
1760 Der verschuldete Hirzel veräussert den Besitz stückweise: Rebland am Brühl, die Burg Alt-Wülflingen und den Schlosshof an die Stadt Winterthur, weitere Güter an Wülflinger Bürger. Die Stadt Zürich erwirbt die Gerichtsherrschaft.
1767 ff Hirzel verkauft das verbliebene Schloss samt Baumgarten und Ziegelhütte an Schultheiss Johannes Sulzer (1705-1796), seinen Schwager. Kurz vor dem Verkauf erhält Maler Stöffi Kuhn den Auftrag die Gerichtsstube blau in blau «mit Vorstellungen aller tollen Streiche verzieren zu lassen, die jener mit seinen Brüdern ausgeführt hatte.»
  Renovation des Schlosses. Änderung der Fensteranordnung an Süd- und Ostfassade, Anpassungen der Täfer im Innern.
1796 Anna-Maria Sulzer (1773-1823), Enkelin des Schultheissen, verheiratet mit David Sulzer (1752-1852) erbt das Schlossgut.
1832 David Sulzer wird im Wirtschaftsverzeichnis erstmals als Betreiber einer Weinschenke im Schloss verzeichnet.
1846 Ziegeleibesitzer Heinrich Müller (1510-1878), verheiratet mit Helene Sulzer (1808-1876), Tochter von David und Anna-Maria Sulzer, wird Eigentümer des Schlosses.
1860/61 Umbau des Speichers in eine Scheune und Abbruch der alten Scheune.
1880 Der älteste Sohn, David-Friedrich Müller-Bodmer (1842-1898) erbt das Schloss und führt eine Gaststätte.
1883 Brand der Scheune, Abbruch und Neubau.
1906 Firma A. Klingler-Huber aus Zürich erwirbt das Schloss und die Nebengebäude zu Spekulationszwecken. Sie plant die Veräusserung von Teilen der Innenausstattung.
  Gründung eines Komitees zur Erhaltung des Schlosses. Die «Genossenschaft Schloss Wülflingen» kauft zusammen mit der Gottfried Keller Stiftung, welche Fr. 35'000 vom Kaufpreis von Fr. 85'000 beisteuert. Im Eigentum der Stiftung ist bis heute u.a. die Ausstattung der Gerichtsstube, der Herrenstube und der Oberen Gaststube.
1907-08 Renovation der Gerichtsstube, des Herrenzimmers und der Hallen, Bauleitung Architekt Max Müller and Prof. Dr. Josef Zemp.
1910 Die Stadt Winterthur erwirbt das Umland, um es vor einer drohenden Überbauung zu bewahren.
1911 Die Genossenschaft tritt das Schloss Wülflingen unentgeltlich an die Stadt Winterthur ab und löst sich auf. Die Gottfried Keller-Stiftung bleibt Miteigentümerin.
1920 Einbau Rosenzimmer aus dem Haus zur Rose, Marktgasse 21, Winterthur.
1925 Einbau Holzhalbzimmer, aus dem Haus zum Wilden Mann, Unterer Zäune 17 in Zürich (abgebrochen 1871).
1948 Restaurierung der Malereien in der Gerichtsstube.
1957 Innenrenovation Schloss mit erneuter Restaurierung der Malereien in der Gerichtsstube, Trennung von Gastwirtschaft and Landwirtschaft. Anlage eines Parkplatzes im Schlosshof
1980 Mit Regierungsratsbeschluss des Kantons Zürich vom 30. September 1980 wird das Schloss Wülflingen mit Waschhaus and Scheuen in die Liste der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte von überkommunaler Bedeutung der Stadt Winterthur aufgenommen (kantonale Bedeutung).
1983 Unterirdische Erweiterung (Garderoben, Schutzraum, Tank), sowie eine, von den städtischen Werken nachträglich durchgesetzte, Trafostation.
1985 Restaurierung der Malereien im Rosenzimmer.
1990 Bau des Parkplatzes zwischen Schloss und Scheune. Verbreiterung des Zufahrtswegs.
2001/2002 Renovation Westfassade und Dach, später Süd-, Ost- und Nordfassade.
bis 2007 Gastwirtschaft betrieben von Familie Aberli
2007/2008 Umfassende Instandstellungs- und Restaurierungsarbeiten.

Quelle ausgewertet von Roland Böhmer, Kantonale Denkmalpflege Zürich 2007